Andreas Bürgi
Andreas Bürgi ist ein erfolgreicher Unternehmer. Nach 60 Jahren Berufsleben darf er Rückschau halten, nachdenklich sein, sich stolz zeigen. Vielleicht hin und wieder loslassen?
Unternehmer zu sein, ist kein Beruf, es ist vielmehr eine Berufung, eine Charaktereigenschaft. Er zeigt als Unternehmer seine ureigene Haltung zum Leben, zu seiner Familie und zu seinen Mitarbeitenden. Das wird bewusst, wenn Andreas Bürgi aus seinem reichen Leben erzählt – eine Reise um die halbe Welt und über Berg und Tal, zusammengefasst in nur wenigen Stichworten. Gelebte Erinnerungen.
Andreas Bürgi nimmt einen Schluck aus seinem Glas Wein und fängt an zu erzählen: Von damals, als er sich bei der Firma Clemenz Jost um eine Lehrstelle bewarb. Die Lehrstellen waren längst vergeben, und so engagierte ihn Clemenz Jost vorerst als Volontär – für gerade mal 50 Rappen die Stunde notabene. Später, als Lehrling, bekam er nur noch 30 Rappen ausbezahlt: «Weil ich ja einen Tag in der Woche wegen Schule fehlte», erinnert er sich und lacht.
Geld war ihm nicht wichtig oder nie wichtig genug. Sein Lebenswerk baut er auf Vertrauen und Fairness auf. Genau davon und von Wertschätzung – im Kleinen wie im Grossen – handeln seine Erzählungen.
Eine dieser Erinnerungen führt ihn von der Gelmerhütte zum Diechterhorn, einem mässig geneigten Firnhang entlang, im Rucksack einzig eine Flasche Fendant und ein Stück Käse. Gerade so viel Proviant wie es braucht, um sich über die Zukunft der Firma einig zu werden.
Andreas Bürgi, ein engagierter, zielstrebiger junger Servicemonteur, die Meisterprüfung längst in der Tasche, wollte unbedingt die Firma Jost übernehmen, unabhängig sein. Clemenz Jost hingegen war noch nicht bereit, die Führung abzugeben – eine schwierige Ausgangslage für eine vierstündige Bergetappe.
Oben auf dem Gipfel, auf 3389 Metern, haben sich die beiden Männer die Hand gereicht. Das tun Gipfelstürmer, wenn sie am Ziel sind. Nur war ihr Ziel um einiges höher und der Händedruck weitaus nachhaltiger. Denn an diesem Morgen hat Clemenz Jost seinem langjährigen und treuen Mitarbeiter die Anteile an der Jost Brugg AG per Handschlag übertragen.
Das Diechterhorn sollte längst nicht die letzte Wanderung gewesen sein. Wenn immer wichtige Entscheidungen anstanden oder es galt, Konflikte zu lösen, hat Andreas Bürgi seinen Rucksack gepackt und in der Natur Antworten gefunden. Manch einer aus seinem Führungsteam hat ihn auf diesen Ausflügen begleitet. Und aus einigen fast unlösbaren Streitereien wurde beim Wandern doch noch ein Ausweg gefunden.
Wer nun glaubt, Andreas Bürgi sei nur den ausgeschilderten Wegen gefolgt, der irrt. Weit gefehlt. Er hat sich oft auf neues Terrain begeben und gelernt, sich an fremde Kulturen und Sprachen anzupassen.
Der Umzug von Zeihen nach Brugg war für ihn eine emotionale Weltreise. Im Fricktal ist er grossgeworden, da war er daheim und in Politik und Gesellschaft gut vernetzt. Aber eine Firma in Brugg zu leiten, heisst eben auch, in Brugg zu leben. So wurde die Stadt nicht nur Heimatort, sondern auch Ausgangspunkt für Geschäftsreisen nach Deutschland, Saudi-Arabien, Syrien und in den Iran. Weit über tausend Kilometer Glasfasern und Elektrorohre hat er während seinen Auslandeinsätzen verlegt – allein im Kernkraftwerk Leibstadt sind rund 860 Kilometer Kabelschutzrohre in Decken und Wände eingebaut.
Welches Erlebnis ihn auf seinen unzähligen Geschäftsreisen besonders gefreut hat? Das war eine Begegnung mit Kurt Biedenkopf in Dresden, dem damaligen Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen. Er und sein Sohn Sebastian hatten sich bei der Gründung der Firma Jost Dresden GmbH tatkräftig engagiert, indem sie Kontakte zu Handelskammern, Gewerbevereinigungen und Institutionen hergestellt hatten.
Während einem dieser persönlichen Gespräche zusammen mit Clemenz Jost hat die Sekretärin Biedenkopf gebeten, einen Anruf von Helmut Kohl entgegenzunehmen. Woraufhin er geantwortet hat: «Richten Sie dem Bundeskanzler aus, ich sei in einer wichtigen Besprechung und werde zurückrufen.»
Auch von Niederlagen und Durchhaltewille weiss er zu berichten. Gerade die Arbeit in Leibstadt hat viele Nerven gekostet und nebenbei schlaflose Nächte verursacht. Wie weiter, wenn man sich mit dem Bauführer nicht versteht? Wenn man Mehraufwände nicht verrechnen darf? Seinem Auftraggeber ausgeliefert ist?
Dennoch: Ans Aufgeben hat Andreas Bürgi nie gedacht. Auch nicht im Ausland, als er über mehrere Wochen von seiner Frau und seinen drei Kindern getrennt war.
Diese 60 Jahre haben ihn Wertvolles gelehrt: Dass er sich immer und zu jeder Zeit auf seine Frau verlassen kann, dass die Unabhängigkeit ihren Preis hat, dass man mit Kleinaufträgen mehr Gewinn erzielt, und dass Mitarbeitende das grösste Kapital sind.
Und welches ist seine wichtigste Erkenntnis? Ehrlich zu sein und auf das Bauchgefühl zu hören.