Der Weihnachtsauftrag
Wann kommt Papa endlich nach Hause? Tamara starrt auf die dunkle Garageneinfahrt. Ihr Vater arbeitet einfach zu viel, seit Mutters Tod noch mehr. Tamara seufzt und wendet sich vom Küchenfenster ab. In der Pfanne köchelt die Bündner Gerstensuppe vor sich hin.
Der Tisch ist gedeckt. Das brennende Teelicht im Glas ist das Einzige im Raum und im ganzen Haus, das an die Adventszeit erinnert. Es ist das fünfte Weihnachtsfest ohne Mama, sinniert Tamara. Fünf Jahre schon, in denen alles Weihnachtliche aus dem Haus verbannt wurde. Ihre Mutter hatte Weihnachten geliebt und das Haus regelrecht in eine Weihnachtsbäckerei verwandelt. Es roch ab dem ersten Dezember nach Guetzli, Tannenzweigen und Kerzenwachs. Bei der Dekoration hatte sie nie gespart. Von Weitem sah man den Kerzenschein in jedem Fenster flackern und die grosse Tanne mit der Lichterkette bei der Garageneinfahrt leuchtete den Weg bis zur Eingangstüre. Nach ihrem Tod trafen Tamara und ihr Vater stillschweigend die Abmachung, Weihnachten nicht mehr zu feiern. Zu sehr schmerzten die Erinnerungen.
Tamara wird aus ihren Gedanken gerissen, als sie das Auto des Vaters hört. Sie geht zum Fenster und blickt nach draussen. Ihr Vater stellt den Wagen in der Einfahrt ab und bleibt wie immer ein paar Augenblicke sitzen, um sich zu sammeln. Dann steigt er aus. Tamara sieht nur seine Umrisse. Die entfernte Strassenlaterne gibt zu wenig Licht, und die Aussenbeleuchtung ist seit ein paar Tagen defekt. Wahrscheinlich etwas mit dem Leuchtmittel. Tamara macht sich gedanklich eine Notiz, morgen den Elektriker anzurufen.
Abgekämpft von einem langen Tag in der Anwaltskanzlei, kommt ihr Vater in die Küche. «Hallo Tami. Das riecht fein hier. Bündner Gerstensuppe?» Nach der kurzen Begrüssung sitzen sie in vertrautem Schweigen am Esstisch und löffeln die Suppe. Danach erzählt Tamara von ihrem Schultag an der Kantonsschule in Baden. Ihr Vater hört ihr aufmerksam zu. Dann dankt er ihr für das Essen und verabschiedet sich. Er hat Arbeit mit nach Hause genommen, die er erledigen muss.
Am anderen Tag ruft Tamara vor Schulbeginn die Firma Jost Elektro AG in Brugg an. Der Monteur, Renato Jäger, hat glücklicherweise gegen Abend Zeit, um sich die Aussenbeleuchtung anzuschauen. Tamara schafft es pünktlich nach Hause, um ihn zu empfangen. Wie vermutet hat das Leuchtmittel das Zeitliche gesegnet.
Nach getaner Arbeit schaut sich Renato um. «Ich kann mich daran erinnern, dass diese Tanne früher immer so schön mit Lichterketten geschmückt war. Nicht kitschig. Einfach nur schön.» «Ja, meine verstorbene Mutter hat Weihnachten und den leuchtenden Baum sehr geliebt», erwidert Tamara.
«Oh. Das mit deiner Mutter tut mir leid.» Betroffen blickt Renato zu Boden. «Habt ihr die Lichterketten nicht mehr?», fragt er nach einer kurzen Pause. «Ich glaube schon, irgendwo in der Garage müssten sie sein.» Renatos Augen beginnen zu leuchten. «Komm! Wir holen sie und hängen sie an den Baum. Dann sieht es hier wieder aus wie früher.»
Überrumpelt von Renatos Enthusiasmus, führt Tamara ihn in die Garage. Tatsächlich findet sie die mit der Lichterkette vollgepackte Kiste. Zusammen beginnen sie, die unzähligen Lichter an die Tanne zu hängen. Tamara hat ganz vergessen, wie viel Spass sie an dieser Arbeit immer hatte.
«Okay, du kannst den Stecker einstecken», ruft sie Renato überschwänglich zu. «Sehr wohl, my Lady», witzelt dieser. Schon erstrahlt die Tanne in goldenem Glanz. «Wunderschön», schwärmen die beiden gleichzeitig. Tamara wird es ganz warm ums Herz. «Vielen herzlichen Dank, Renato. Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll.» Renato zwinkert ihr zu. «Sehr gern geschehen. Es darf doch nicht sein, dass diese Tanne den Weihnachtsauftrag nicht erfüllen kann.»
Nachdem sie sich voneinander verabschiedeten, bereitet Tamara das Nachtessen für sich und ihren Vater zu. Heute gibt es Sauerkraut, Kartoffeln und Rippchen. Immer wieder blickt sie während des Kochens nach draussen und bestaunt die Tanne. Sie war schon lange nicht mehr so glücklich wie heute Abend. Nur eines macht ihr Sorgen: Wie wird Papa wohl reagieren?
Lange muss sie nicht auf ihn warten. Anscheinend hat er früher als gewöhnlich Feierabend gemacht. Erwartungsvoll blickt Tamara auf die Einfahrt. Ihr Vater steigt sofort aus dem stehenden Auto aus und bestaunt die hell erleuchtete Tanne. Ein ungläubiges Lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht. Leichten Schrittes kommt er zur Türe herein. «Tami, das sieht ja wunderbar aus! Wie früher!» Tamara erzählt ihrem Vater während des Nachtessens die Geschichte des Weihnachtsengels, der sie heute in Form eines Elektromonteurs besuchte.
«Weisst du, Tami», sinniert ihr Vater, «wir hätten Weihnachten nicht so rigoros aus unserem Leben verbannen sollen. Das hätte deiner Mutter nämlich gar keine Freude gemacht. Im Gegenteil, sie hätte wahrscheinlich mit Kerzen nach uns geworfen ...» «… und uns mit der Lichterkette an den Weihnachtsbaum gefesselt», beendet Tamara den Satz ihres Vaters mit einem breiten Lachen im Gesicht.
Die Firma Jost Elektro AG wünscht Ihnen eine frohe und hell erleuchtete Weihnachtszeit.