Mit 20 stehen einem alle Türen offen

Lehrbetrieb und Berufsfachschule: Praxis und Theorie ergänzen sich in der Lehre der Elektro-installateure und Montage-Elektriker. Dieses duale Ausbildungssystem sei von grösstem Wert für die angehenden Fachleute, betonen Kurt Wernli, Leiter Berufsbildung Jost Elektro AG Brugg, und Felix Kutter, Lehrer am Berufs- und Weiterbildungszentrum Brugg.

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Arun Thiyagarajah, bei Jost Elektro AG in der Ausbildung zum Elektroinstallateur, ist dankbar für den Praxisbezug in der Berufsschule

Drei Tage praktische Prüfung, eine Woche später die mündliche Prüfung, gefolgt von einer schriftlichen Prüfung Anfang Juni – eine happige Sache. Doch Prüfungsangst plagt Claudio Müller im Vorfeld nicht. Ruhig erzählt er. Allerdings ist er sich bewusst, dass er noch nie eine Prüfung absolviert habe, bei der es «um etwas ging» – ausgenommen die Fahrprüfung. Dieser Druck, erfolgreich sein zu müssen, um in die Zukunft weitergehen zu können, sei neu. Ein gesunder Respekt davor spricht aus seinen Worten.

Ein verhaltener Knall. Das allgemeine Gemurmel verstummt erschreckt. Dann lachen einige, alle recken die Hälse, um besser sehen zu können: Eine Glühbirne ist «geplatzt». Der Schüler, dem das Malheur passiert ist, schaut mit rotem Kopf verdutzt von der Glühbirne vor sich auf dem Pult zum Lehrer auf. Felix Kutter steht just in seiner Nähe und hatte einem anderen Schüler in der Aufgabe etwas erklärt. Besonnen und souverän ruft er die Klasse zu Ruhe und Konzentration auf, ehe er sich dem Unglücksraben zuwendet. «Was ist passiert?» fragt er ihn, um den Schüler zu ermuntern, durch Überprüfen des eigenen Tuns die Ursache selbst zu finden.

Lernen durch Erleben

«Seit rund 15 Jahren vermitteln wir den Schulstoff in handlungsorientiertem Unterricht», sagt Felix Kutter, Lehrer am Berufs- und Weiterbildungszentrum Brugg. «So können wir handlungsorientierte Lerntypen besser abholen.» Nicht alle mögen Theorie, doch ganz ohne geht es in der Lehre nicht. Wird der Stoff durch eigenes Tun erlebt, fällt das Verstehen leichter und es ist nachhaltiger. So fliessen Praxis und Theorie ideal ineinander und ergänzen sich. Dieser duale Aufbau der Ausbildung verlangt von Lehrbetrieb und Schule eine enge Kommunikation und Planung.

«Dass wir unsere Lernenden in Brugg zur Schule schicken können, ist von grossem Wert», betont denn auch Kurt Wernli, der bei der Jost Elektro AG für die Lernenden zuständig ist. «Die Nähe zwischen Schule und Lehrbetrieb erlaubt eine enge Zusammenarbeit und Kommunikation, wie ich sie mir wünsche.» Dabei geht es nicht um den Unterrichtsinhalt, denn dieser ist gemäss Berufsbildungsgesetz festgesetzt in der Bildungsverordnung. Vielmehr geht es um die Förderung und Begleitung der Lernenden. Jeder und jede soll seinen oder ihren Begabungen und der Persönlichkeit entsprechend das Optimum aus der Lehre mitnehmen können und einen guten Start ins Berufsleben haben. «Es ist für mich immer ein besonders schönes Erlebnis, wenn etwa ein benachteiligter junger Mensch, der in seinem Leben noch nicht viel Glück erfahren hatte, seine Lehre mit gutem Erfolg abschliesst», erklärt Kurt Wernli.

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Das Klassenzimmer ist auch ein Labor

Das Berufs- und Weiterbildungszentrum Brugg ist mit seinen Möglichkeiten des erlebnisorientierten Lernens im Bereich Elektrotechnik schweizweit führend. Der Unterricht findet in Klassenzimmern statt, die mit versenkbaren Laboreinheiten ausgerüstet sind. Dieser praxisbezogene Unterricht befähigt die Lernenden, bereits im dritten Lehrjahr im Betrieb kleinere Aufträge selbstständig auszuführen. Die Konzentration, mit der die Schüler in Zweierteams die Experimente umsetzen, lässt auf grosses Interesse am Stoff schliessen. «Es ist eine schöne Abwechslung, so zu lernen», sagt etwa der 18-jährige Arun Thiyagarajah, bei der Jost Elektro AG in der Ausbildung zum Elektroinstallateur. «Das macht es einfacher, die Theorie zu verstehen.»

Sowohl Kurt Wernli wie auch Felix Kutter sind sich bewusst, dass gerade Lernende der Baubranche, zu der auch die Elektroinstallateure und Montage-Elektriker gehören, keine Kapazität für Hausaufgaben haben. Deshalb bietet das BWZ den Schülerinnen und Schülern jeden Samstagmorgen Gelegenheit zum begleiteten Lernen und Üben. Ein Angebot, das stark genutzt werde, wie Felix Kutter sagt. Auch Lerngruppen bilden sich unter den Schülern. «Wer möchte, kann seine Lehre mit sehr guten Noten abschliessen», zieht Kurt Wernli aus dem Lernangebot Bilanz. «Die Möglichkeiten zur Lernunterstützung sind vorhanden.»

«Die schwierigsten Lebensjahre»

Ihm geht es jedoch nicht nur darum, den Lernenden beim Verstehen des Stoffes Hilfestellung zu leisten. Auch im Fall von persönlichen Unsicherheiten steht er den Jugendlichen mit Rat beiseite, wenn sie dies möchten. «Die Lebensjahre zwischen 15 und 20 sind die schwierigsten im Leben eines Menschen», findet er. «In dieser Zeit finden die grossen Veränderungen statt: körperlich, manchmal auch familiär, der Wechsel von der Schule in einen Beruf oder ein Studium.»

Felix Kutter, Lehrer am BWZ Brugg, ist ebenfalls dankbar für die intensive Kooperation mit Jost Elektro AG als Lehrbetrieb. Er schätze es sehr, in Kurt Wernli einen Partner als Berufsbildner zu haben, dem die Förderung der jungen Menschen ernsthaft am Herzen liege. «Mit 20 stehen einem Menschen alle Türen offen», stellt Kurt Wernli fest. Er sieht seine Aufgabe darin, die Jungen zu befähigen, diese Türen auch zu benutzen. Dafür braucht er Ausbildungspartner wie das BWZ, wie Felix Kutter, die sich ebenso für die Jugendlichen einsetzen. Dann ist für Kurt Wernli klar: «Das duale Ausbildungssystem ist ein Win-Win-System für alle.»